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Critical Incident Reporting
System in der Notfallmedizin
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ein kostenloser, werbender Service
für Ärztinnen und Ärzte
(keine Produkt-Werbung)
von
sanofi-aventis
Critical
Incident Reporting System in der Notfallmedizin
2005
wurde in der Notfallmedizin ein Critical Incident
Reporting System (CIRS) eingeführt. Dabei
handelt es sich um ein anonymes Meldesystem
für kritische Situationen, die durch
Fehlentscheidungen, Verwechslungen oder Systemschwächen
herbeigeführt werden.
Fehler in der Medizin gehören zu den
zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland,
resümierte die Zeitschrift Anästhesiologie
& Intensivmedizin 2006 und plädierte
für mehr aktiven Austausch über
Fehler innerhalb des medizinischen Personals.
Zwar
lassen sich solche Zahlen nicht auf die Notfallmedizin
übertragen, doch der Rettungsdienst birgt
per se ein hohes Fehlerrisiko. Besonders im
präklinischen Umfeld wird der Notarzt
mit vielschichtigen Krankheitsbildern und
Arbeitsabläufen konfrontiert. Unter teilweise
ausgesprochen schwierigen äußeren
Umständen sind dabei zügig Entscheidungen
mit teils weitreichenden Konsequenzen zu treffen.
Im
Rettungsdienst versterben Patienten noch am
Einsatzort oder zeitnah später im Krankenhaus
oder es verbleiben Einschränkungen und
Spätfolgen. Die Kombination aus potenziell
lebensbedrohlichen Situationen oder sonstigen
schweren Erkrankungen mit dem anspruchsvollen
Umfeld, dem Zeitdruck und den limitierten
Mitteln macht die präklinische Notfallmedizin
zu einem Hochrisikobereich.
Durch
die rasante Weiterentwicklung der technischen
Ausstattung und der immer besseren therapeutischen
Möglichkeiten vor Ort wächst zusätzlich
die fachliche Anforderung an Notärzte
und Rettungsassistenten. Mit ihr wachsen die
Möglichkeiten für Fehlentscheidungen
und Fehlhandlungen. Die Experten sind sich
einig: Qualität und Sicherheit sind dauerhaft
nur durch ein strukturiertes Risikomanagement
zu gewährleisten.
Nur
wer die Fehler kennt, kann Strategien zur
Bewältigung entwerfen
In der Industrie haben sich seit Jahrzehnten
Erfassungs- und Analysesysteme für kritische
sicherheitsrelevante Ereignisse etabliert,
so genannte Critical-Incident-Reporting-Systems
(CIRS), mit dem Ziel der Qualitätsoptimierung
bzw. Fehlerreduktion.
Als
geschichtlicher Vorreiter (siehe: Geschichte
des CIRS) gilt die US-Air-Force. Die Medizin
arbeitet mit den Meldesystemen seit 1960,
ausgehend von der Anästhesie. Seit Herbst
2005 steht ein CIRS nun auch fachspezifisch
für alle Rettungsdienstmitarbeiter zur
Verfügung (siehe: www.cirs-notfallmedizin.de).
Bundesweit
werden hier Zwischenfälle aus der Notfallmedizin
gemeldet und ausgewertet (siehe: Fehleranalyse
in der Notfallmedizin). Darunter Fehlentscheidungen,
Medikamentenverwechslungen, Versuche, den
Fall zu beherrschen und die Ergebnisse. Alles
absolut anonym, ohne die Gefahr von rechtlichen
Konsequenzen, Blamagen, Kollegialitätsbruch
oder anderen zwischenmenschlichen Spannungen.
Fallbeispiele
werden durch Kommentare und Risikostrategien
von Kollegen ergänzt, um Zwischenfälle
dieser oder verwandter Art in Zukunft zu vermeiden.
Die Meldemöglichkeit von Dritten erweitert
das System zusätzlich um Fälle,
die den Verursachern aufgrund von Selbstüberschätzung
oder sonstigen Verzerrungen des Realitätsbildes
nicht auffallen würden. Zuständige
Aufsichtsbehörde ist die Kassenärztliche
Vereinigung Bayern.
Sicherheit
durch Anonymität
Der größte Vorteil des CIRS
liegt nach Einschätzung der Verantwortlichen
in der Anonymität und damit in der Straffreiheit.
Wer will sich schon bloßstellen, wenn
er den Griff zur falschen Ampulle gerade noch
bemerkt oder eine Verletzung in der Hektik
übersehen hat?
Der
Umgang mit Fehlern und deren Analyse ist in
der Medizin durch die Suche nach dem Schuldigen
geprägt und endet oft auch dort. Natürlich
gibt es aktive Fehler, wie missachtete medizinische
Leitlinien oder eine unterlassene Materialprüfung
vor dem Einsatz.
Das
so genannte menschliche Versagen
ist häufig aber auch in Fehlern des Systems
begründet in suboptimaler Ausstattung,
zu langen Arbeitszeiten, Schulungsmängeln,
Organisationsschwächen, Differenzen im
Team oder Medikamenten mit Verwechslungsrisiko.
Und tritt ein Fehler aufgrund solcher Defizite
auf, ist es sehr wahrscheinlich, dass er sich
anderenorts wiederholt.
Ein
CIRS arbeitet per Definition jenseits von
Schuldzuweisung. Die Homepage ist sicher.
Eine Rückverfolgung des Melders ist nicht
möglich. Berichte, die dennoch auch nur
annähernd Rückschlüsse auf
Personen oder Einsätze erlauben, bleiben
anonym oder werden nach Erfassung für
die Datenbank gelöscht.
Absolut
neutrale und örtlich nicht nachvollziehbare
Fälle (und das sind die meisten) werden
unter Fallbeispiele als Lehrmaterial
veröffentlicht. Es geht weder ums Bloßstellen,
noch ums Profilieren. Das CIRS soll Systemschwächen
aufdecken und analysieren.
Risiken,
an die bisher keiner gedacht hat, die verdrängt
wurden oder über dessen Häufigkeit
sich mangels Austausch keiner bewusst war,
können hier identifiziert, durch das
System bewertet und durch veränderte
Leitlinien, den Austausch von Medikamenten
oder technischer Ausstattung oder durch entsprechende
Schulungserweiterungen des Rettungsteams in
Zukunft bewältigt werden. Oft sind es
Kleinigkeiten, die zunächst unerheblich
erscheinen, die auf verschiedenen Ebenen immer
wieder zu Komplikationen führen und nur
durch die zusammenfassende Auswertung erkennbar
sind.
Arzt
und Patient profitieren
Die zunehmende Klagebereitschaft der
Patienten und ihrer Angehörigen macht
situationsbedingt insbesondere Notärzte
angreifbar. Die Zahl der aufgedeckten Behandlungsfehler
ist hoch wie nie zuvor, die Zahl der Klagen
gegen echte oder vermeintliche Behandlungsfehler
steigt seit Jahren stetig.
Die
Kosten für die Arzthaftung kletterten
von 1980 bis 2000 von fast null auf über
500 Millionen Euro (Quelle: BDAK). Gerichte
diskutieren monatelang, ob eine innerhalb
von Minuten gefällte Entscheidung eines
Notarztes richtig oder falsch war. Die zunehmende
Komplexität der notfallmedizinischen
Versorgung und auch die Entwicklung der Arzthaftungsfälle
(siehe Arzthaftung) erfordern ein strukturiertes
Risikomanagement - zur optimalen Sicherheit
und Versorgung der Patienten und zum Schutz
der Ärzte.
Drei
Jahre CIRS in der Notfallmedizin: Erkenntnisse
und Ausblicke
Insgesamt erfreute sich das vor drei Jahren
etablierte Meldesystem schnell hoher Akzeptanz.
In den ersten 18 Monaten kam es bereits zu
über 200 Meldungen. Bis dato sind es
rund 500. Und als Erweiterung besteht inzwischen
ein CIRS (in eingeschränkter Funktion)
auch für die klinische Notfallmedizin.
Viele
wertvolle Hinweise auf Systemschwächen
wurden bereits gesammelt - von der Ausbildung
bis zum Arztkoffer. Aufgrund der Analysen
wurden u.a. Medikamente wegen Verwechslungsgefahr
aus dem Sortiment genommen oder notfallmedizinische
Eingriffe optimiert.
Im
CIRS sollen ebenso Zwischenfälle mit
tödlichen Verläufen erfasst werden,
wie solche mit beinahe fatalem Ausgang und
Fälle, die nur potenziell gefährdend
waren. Dabei sind Zwischenfälle, die
zu keinem Schaden geführt haben, sogar
besonders wichtig, weil sie nur über
ein CIRS überhaupt zutage treten.
Unklar
bleibt oft, ob der Patient ohne den gemeldeten
Zwischenfall ein besseres Outcome
gehabt hätte, da zwei Drittel aller Patienten
ohnehin in Lebensgefahr schwebten.
Eine
statistische Aussage über die Häufigkeit
von Ereignissen lässt sich anhand von
CIRS nicht machen. Außerdem kann aufgrund
der Anonymität nicht versichert werden,
dass nur wirklich Fachkundige und Beteiligte
des Rettungsdienstes Zugriff auf die Online-Maske
haben.
Die
Freiwilligkeit der Meldungen führt zahlenmäßig
zu Verzerrungen. Häufige und typische
Ereignisse werden tendenziell weniger oft
gemeldet als seltene und spektakuläre.
Inzwischen prüfen erfahrene Notfallmediziner
der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen
Notärzte (agbn) die Eingaben auf Plausibilität,
was unsachgemäße Angaben herausfiltern
sollte. Gleichzeitig agieren sie als fachliche
Kommentatoren, um den Lerneffekt und die Motivation
für den Leser zu erhöhen.
Für
die Zukunft erhoffen sich die Initiatoren
eine möglichst weitgreifende Auswertung
von Zwischenfällen, um daraus Empfehlungen
für Rettungsteammitarbeiter und leitende
Notärzte ableiten zu können. Die
Seite Empfehlungen der Homepage
bietet ein solches Resümee im kleinen
Rahmen schon heute.
Die
Präsentation der aktuellen Meldungen
auf Fachtagungen erzeugt ergänzend politischen
Druck, denn ein Umdenken in Sachen Risikomanagement
ist dringen nötig, so Dr. med.
Christian Hohenstein, Facharzt für Allgemeinmedizin,
Spezialist für Notfallmedizin am Klinikum
Kempten und Verantwortlicher der CIRS-Homepage
(siehe Interview).
Hohenstein
hofft unter anderem auf verbesserte Qualifikationsanforderungen
für Notärzte und Rettungsassistenten,
auf bessere Organisationsstrukturen und spezifische
Ausbildungsinhalte zur Vorbeugung von Fehlern.
Bei
der Frage nach Zukunftsvisionen geht er im
Interview noch weiter: Mein Wunsch für
die Zukunft von CIRS ist, dass es kein CIRS
mehr gibt. Dass jeder Kollege frei über
Fehler und Risiken berichten kann, ohne Schuldzuweisung.
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