Über
zwei Millionen Deutsche sind Insektengiftallergiker
Kleiner
Stich mit bedrohlichen Folgen
Ob
im Freibad oder am See: Überall tummeln sich die Liebhaber des
Badespaßes. Sie schwimmen oder spielen im Wasser, trinken Cola,
Limo oder Weißbier und essen Eis oder Obstkuchen in den Badepausen.
Aber die Leckerbissen hier und auch sonst überall im Freien locken
auch fliegende Feinschmecker in gelb-schwarzer Robe an Wespen.
In blühenden Wiesen und Gärten finden sich im Sommer außerdem
häufig Bienen.
Die
Angst vor einem Insektenstich lässt viele Menschen panisch werden:
Mit fuchtelnden Bewegungen versuchen sie, die lästigen Brummer
zu vertreiben. Die Insekten fühlen sich bedroht und stechen zu.
Eine vorübergehende schmerzhafte Schwellung und Juckreiz direkt
an der Einstichstelle gehören zu den harmloseren Folgen. Doch
so mancher Gestochene ist auf das Insektengift allergisch und
reagiert nach kurzer Zeit unabhängig von der Stichstelle am ganzen
Körper. Erste Anzeichen einer schweren allergischen Reaktion ist
häufig Juckreiz an Handflächen und Fußsohlen. Großflächige, juckende
Schwellungen und Rötungen der Haut, Schweißausbrüche, Schwindel,
Übelkeit, Herzjagen und Atemnot können Vorboten eines anaphylaktischen
Schocks sein, der mit raschem Blutdruckabfall und Bewusstlosigkeit
einhergeht. Dieser Allergieschock kann ohne sofortige ärztliche
Behandlung tödlich enden
Etwa 19 Prozent der Bevölkerung entwickeln nach einem Wespen-
oder Bienenstich verstärkte Reaktionen an der Stichstelle.Etwa
drei Prozent der Deutschen, das sind 2,4 Millionen Betroffene,
leiden sogar an einer systemischen Insektengiftallergie, d. h.
bei ihnen besteht die Gefahr eines Allergieschocks. Jährlich werden
mehr als 3.000 Insektengiftallergiker durch einen Notarzt versorgt.
Laut statistischem Bundesamt gehen jährlich etwa 20 Todesfälle
infolge von Stichreaktionen in Deutschland auf das Konto von Bienen
oder Wespen. In seltenen Fällen sind auch Hornissen, Hummeln,
Ameisen und andere Insekten wie Mücken oder Bremsen Ursache schwerer
systemischer Reaktionen. Wir gehen davon aus, dass es bei den
Todesfällen eine erhebliche Dunkelziffer gibt. So mancher Tod
durch einen Insektenstich wird nicht richtig zugeordnet und fälschlich
anderen Ursachen zugeschrieben", erläutert der Hautarzt und
Allergologe Professor Dr. Bernhard Przybilla von der Ludwigaximiliansniversität
München.
Lebensgefährlicher
Leichtsinn in der Nachsorge
„Während die Akutversorgung einheitlich geregelt ist, existieren
vor allem im Bereich der Notfallnachsorge große Mängel",
kritisiert Professor Dr. Dr. Johannes Ring, Vize-Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie
(DGAKI). Dies zeigte eine Untersuchung der Technischen Universität
München: Nur jeder fünfte Insektengiftallergiker sucht nach einer
schweren allergischen Reaktion einen Allergologen auf. Das ist
lebensgefährlich", meint Professor Ring, „denn mindestens
die Hälfte der Notfall-Patienten lebt mit dem Risiko eines erneuten,
lebensbedrohlichen Stiches".
Effektive Hilfe vom Allergologen
Wenn
der Verdacht auf eine Insektengiftallergie besteht, empfehlen
der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) und die DGAKI, unbedingt
einen allergologisch geschulten Arzt aufzusuchen. Dieser führt
die entsprechenden Tests durch und, gibt Ratschläge zu Schutz
und Therapie. Wichtigste Maßnahme für die meisten Patienten mit
allergischen Allgemeinreaktionen nach Insektenstichen ist die
spezifische Immuntherapie ( auch Hyposensibilisierung oder Allergie-Impfung
genannt). Außerdem verordnet der Allergologe ein Notfallset mit
einem Antihistaminikum, einem Kortisonpräparat sowie Adrenalin
in Form eines Autoinjektors oder Sprays und erläutert die richtige
Anwendung. Der Facharzt klärt Insektenstichallergiker darüber
auf, wie Stiche zu vermeiden sind und wie man sich bei einem erneuten
Insektenstich verhalten sollte.
Spezifische
Immuntherapie viel zu selten.
Die
spezifische Immuntherapie mit standardisierten Allergen-Präparaten
schützt sicher und langfristig vor den lebensbedrohlichen allergischen
Reaktionen. Bei unkomplizierten Fällen dauert die Behandlung drei,
häufig auch fünf Jahre. Manchmal muss die Immuntherapie allerdings
länger oder sogar ein Leben lang fortgeführt werden. „Die Insektengiftallergie
gehört zu den allergischen Krankheitsbildern, die am besten ursächlich
zu behandeln sind. Die fehlgeleitete Immunreaktion mit der Bildung
von krankmachenden Antikörpern kann durch eine spezifische Immuntherapie
erfolgreich umgestimmt werden. Das Immunsystem kommt wieder auf
das richtige Gleis. Die Erfolgsquote liegt nahezu bei 100 Prozent,
wobei allerdings manchmal eine höhere als die Standarddosis erforderlich
ist so der Münchener Allergologe Professor Przybilla.
Angesichts dieser Erfolgszahlen ist es völlig unverständlich,
wie wenig Insektengiftallergiker eine spezifische Immuntherapie
erhalten. „Leider müssen wir davon ausgehen, dass nur zehn Prozent
der Insektengiftallergiker auch
wirklich adäquat mit einer spezifischen Immuntherapie behandelt
wurden“, bedauert auch Professor Ring. Von lebensrettender Bedeutung
ist die spezifische Immuntherapie insbesondere für Patienten mit
einer Mastzellerkrankung (Mastozytose). Jüngste Forschungsergebnisse
haben gezeigt, dass erwachsene Patienten mit einer Mastzellerkrankung
häufig besonders schwere anaphylaktische Reaktionen auf Insektenstiche
aufweisen. Professor Przybilla: „Patienten sollten umfassend über
die Bedeutung der Mastzellerkrankung für den Schweregrad anaphylaktischer
Reaktionen aufgeklärt werden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand
sollten Insektengiftallergiker mit einer Mastzellerkrankung dauerhaft
eine spezifische Immuntherapie erhalten.“
Sinnvolle
Vorbeugung und Diagnostik
Niemand
sollte sich Sommer, Sonne und Urlaub durch Bienen, Wespen oder
andere Insekten verderben lassen. Natürlich kann man durch Vermeidung
von bestimmten Haarsprays oder Parfums das Risiko für einen Stich
verringern. Auch der Verzicht auf süße Speisen im Freien reduziert
die Angriffswahrscheinlichkeit. Insektengiftallergiker sollten
kein Fallobst einsammeln oder, barfußüber Wiesen gehen anikartige
Bewegungen in Gegenwart von Insekten sind zu vermeiden. Aber auch
wenn man noch so vorsichtig ist, kann man das Risiko nicht
völlig ausschließen. Gerade deshalb sind eine umfassende Diagnostik
durch den Allergologen und die spezifische Immuntherapie die wirkliche
Lebensversicherung zur Heilung der Insektengiftallergie. Langzeit-Studien
mit einem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren haben die Wirkung
der Immuntherapie eindeutig bestätigt. Auch Notfalleinsätze bei
Insektengiftallergikern könnten damit reduziert werden. Heute
muss und sollte niemand mehr an einem Insektenstich sterben.
Acht
Regeln zum Schutz vor Bienen und Wespen
•
Vermeiden Sie hektische, hastige Bewegungen, wenn Bienen
und Wespen in der Nähe sind.
•
Halten Sie Distanz zu Blüten, überreifen Früchten und Abfallbehältern.
Hier halten sich die Insekten bevorzugt auf.
•
Essen und Trinken im Freien sollte möglichst vermieden
werden. Insbesondere süße Speisen und Getränke ziehen Insekten
an. Trinken
Sie mit einem Strohhalm.
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Vermeiden Sie stark duftende Parfums, Cremes oder Haarsprays.
•
Nicht barfuß über Wiesen laufen. Denn Bienen suchen Blüten
auf,
und manche Wespen nisten im Boden.
•
Halten Sie die Autofenster geschlossen,
und bringen Sie Insektenschutzgitter an Ihre Wohnungsfenster an.
•
Insektengiftallergiker müssen stets ein vom Allergologen
verschriebenes Notfallset bei sich tragen. Informieren Sie sich
bei Ihrem Arzt über die Anwendung.
•
Achten Sie auf die richtige Kleidung: Ungünstig sind lose
sitzende, leichte Kleidungsstücke und dunkle Farben. Zu bevorzugen
sind helle Farben.
Erste
Hilfe bei allergischen Allgemeinreaktionen nach
Insektenstich
•
Ruhe
bewahren und Panikvermeiden
•
Insektenstachel durch vorsichtiges Kratzen entfernen
•
Umgehend Notfallmedikamente anwenden
•
Bei Kreislaufproblemen: Schocklage
•
Unverzüglich einen Arzt aufsuchen oder Notarzt rufen
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