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Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Mit
30.000 Schwingungen pro Sekunde unsichtbarem Zahnstein
auf der Spur
Die
erfolgreichen klinischen Studien unter Leitung von Prof.
Thomas Kocher am Uniklinikum Greifswald waren die Voraussetzung
für die Zulassung auf den internationalen Märkten.
Foto: UKG
Das
PerioScan ist das erste Ultraschallgerät
weltweit, das verdeckten Zahnstein erkennen und gleichzeitig
präzise entfernen kann.
Foto:
Sirona
Innovation
aus Greifswald erobert die Zahnarztpraxen
Zahnmediziner
der Universität Greifswald und Ingenieure der TU Clausthal
haben ein "intelligentes" und hochsensibles Ultraschallgerät
entwickelt, das erstmals gleichzeitig schädlichen Zahnstein
erkennen und wirkungsvoll abtragen kann. Das vielfach prämierte
Medizingerät PerioScan hat inzwischen die Zulassungen
für den australischen, amerikanischen und kanadischen
Markt und wird somit weltweit die Behandlung von unerwünschten
Ablagerungen im Mundraum erleichtern.
Der PerioScan ist eines von zwölf Musterbeispielen
einer Anfang des Jahres veröffentlichen Broschüre*
des Bundesministeriums für Bildung und Forschung über
30 Jahre erfolgreiche Gesundheitsforschung.
Anhand des neuartigen Ultraschallgerätes wird exemplarisch
aufgezeigt, wie mit gezielten Fördermaßnahmen
und interdisziplinärer Zusammenarbeit die Umsetzung
von medizinischem Fortschritt aus den Laboren der Universitäten
und Unternehmen in die Krankenhäuser und Arztpraxen
befördert wird und den Patienten zugute kommt. "Nach
sieben Jahren intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit
startete Ende 2007 die Serienproduktion für den
deutschen Markt", erläuterte der Greifswalder
Zahnmediziner Prof. Thomas Kocher, der gemeinsam mit dem
Magdeburger Professor und Ingenieur Jens Strackeljan das
Projekt leitete.
Das
Problem in der Zahnfleischtasche
Der
Übergang von Zahnhals und Zahnfleischsaum ist eine
offene Schwachstelle. Hier können Bakterien eindringen
und einen Belag an der Zahnwurzel bilden, der Rötungen,
Schwellungen und Blutungen des Zahnfleisches auslöst.
Wird der Belag nicht regelmäßig entfernt, mineralisiert
er zu hartnäckig haftendem Zahnstein. Schmerzhafte
Entzündungen, Vereiterungen, Knochenabbau und schließlich
Zahnausfall können die Folge sein (Parodontitis*).
Nur in der Zahnarztpraxis kann der tief in den Taschen festsitzende
Zahnstein entfernt werden. Ein grundsätzliches Problem
der Zahnsteinentfernung war jedoch, dass der Zahnarzt die
Behandlungsstelle in der Zahnfleischtasche nicht einsehen
und daher kaum beurteilen konnte, ob er alles entfernt hat.
Daher wurden Zahnsteinreste häufig übersehen oder
bereits saubere Stellen mit abgeschabt.
Von
der Vision bis zum Produkt
"Die
feine Spitze ermöglicht es, mittels Ultraschall auch
an uneinsehbaren Stellen Zahnstein von gesunder Zahnoberfläche
zu unterscheiden und zu entfernen", erläuterte
der Parodontologe*. Dazu analysiert der PerioScan das physikalische
Schwingungsmuster des jeweils berührten Zahnmaterials.
Das Ergebnis wird unmittelbar durch eine ringförmige
LED-Leuchte am Handstück angezeigt. Bei einer gesunden
Wurzeloberfläche leuchtet sie grün, blaues Licht
zeigt Verkalkungen an. Die schädlichen Ablagerungen
werden dann mit bis zu 30.000 Schwingungen pro Sekunde präzise
und schonend abgeschliffen. Sobald der verdeckte Zahnstein
abgetragen ist, springt der Sensor wieder auf grünes
Licht um. "Gegen das Verfahren hat Zahnstein keine
Chance mehr, egal wie tief sich die Ablagerungen in der
Zahntasche befinden", so Kocher.
Mit
der Patentierung wurde die Firma Sirona Dental Systems aus
Bensheim, ein international führendes Zahnmedizintechnologieunternehmen
(http://www.sirona.de) als industrieller Partner gewonnen.
Im September 2007 kamen die ersten Geräte in den Zahnarztpraxen
zum Einsatz. Schon in den ersten Monaten wurden hunderte
Geräte an Zahnärzte ausgeliefert und mit sehr
guten Ergebnissen im Praxisalltag getestet. Seit Anfang
2008 ist der feinfühlige Zahnsteinkiller für 6.500,00
Euro auf internationalem Erfolgskurs.
"Die
Innovation kann helfen, die zunehmende Anzahl an Zahnfleischentzündungen
wesentlich effektiver zu behandeln und damit kostenintensive
und unangenehme Folgeerkrankungen zu vermeiden", unterstrich
der Greifswalder Wissenschaftler. "Die Fördergelder
des Bundes haben uns sehr geholfen, die kostenintensive
und risikoreiche Grundlagenentwicklung voranzutreiben und
die klinischen Studien durchzuführen, damit aus einer
Vision ein funktionierendes Gerät wurde."
*BMBF-Broschüre über "Erfolge der Gesundheitsforschung"
Zündende
Ideen, herausragende Forschungsergebnisse und innovative
Produkte können nicht binnen weniger Monate entwickelt
werden. Oft braucht es Jahre oder gar Jahrzehnte, bevor
wissenschaftliche Erkenntnisse zu marktfähigen Produkten
oder neuen Behandlungsverfahren führen. Die Broschüre
beschreibt zwölf herausragende Erfolge der seit 1978
vom BMBF geförderten Gesundheitsforschung.
Seite 20/21 - Mit "Spitzen"-Technologie
gegen Zahnstein
Optimale Parodontitisbehandlung mit innovativem Ultraschallgerät
Seite
32/33 - Datenschatz aus Vorpommern
Epidemiologische Gesundheitsstudie hilft der medizinischen
Versorgung von morgen (SHIP)
Download
http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/_media/Erfolge_der_GF.pdf
*Parodontologe
Der Parodontologe ist ein zahnärztlicher Experte auf
dem Gebiet der Vorbeugung, der Diagnose und Therapie aller
Erkrankungen der Gewebe, die den Zahn im Kiefer verankern
(Parodont).
*Parodontitis
Unter Parodontitis versteht man die Entzündung des
Zahnhalteapparates (Zahnfleisch und Kieferknochen). Die
Parodontitis ist nach der Karies die zweithäufigste
Erkrankung der Mundhöhle.
Ansprechpartner
am Universitätsklinikum Greifswald
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Endodontologie
Prof. Dr. dent. Thomas Kocher
E kocher@uni-greifswald.de
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
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