Quelle:
Pressedienst Berufsverband der Frauenärzte e.V.
Winterblues und Stimmungskrise
Bei
rund 20% der Bundesbürger Frauen
sind doppelt so häufig betroffen wie Männer -
ist es jedes Jahr das Gleiche. Die Stimmung trübt sich
zunehmend ein und sinkt parallel zur dunklen Jahreszeit
in den Keller. Tröstlich ist: Nur in rund 1% der Fälle
handelt es sich beim Winterblues um eine echte Winterdepression
(SAD-saisonal abhängige Depression). Hierbei handelt
es sich um eine schwer wiegende Erkrankung, deren Symptome
weit über Stimmungseintrübungen und Missempfindungen
hinausgehen. Darum sind Antidepressiva beim Winterblues
vielfach unnötig und es sollten stattdessen natürliche
Stimmungsaufheller angewandt werden.
Weshalb
macht der Winter traurig?
Die Antwort auf diese Frage lautet ganz simpel: Es
sind die Hormone. Der Mangel an Lichtintensität an
trüben Wintertagen ist dafür verantwortlich, dass
unser Gehirn das Schlaf- und Ruhehormon Melatonin verstärkt
bildet. Die Folgen sind Müdigkeit und Trägheit,
Antriebs- und Lustlosigkeit. Andererseits geht die Bildung
des Glücksbotenstoffes Serotonin zurück. Ein gesteigertes
Verlangen nach Kohlenhydraten und insbesondere auf Süßigkeiten
aller Art kann bis zum Heißhunger ausgeprägt
sein, um den Serotonin-Spiegel wieder anzuheben. Dieses
ernährungsphysiologische Symptom ist typisch und trifft
sowohl auf SAD-Betroffene wie auch auf den harmloseren Winterfrust
zu.
Auch
die Seele kann frieren
Viele Menschen betrachten die Zeit um das Weihnachtsfest
und den Jahreswechsel mit gemischten Gefühlen. Die
familienorientierten Festtage sind für Vereinsamte
mit der Furcht vor dem Alleinsein und für allein erziehende
Mütter
zumeist mit finanziellen Sorgen verbunden. Auch die vorweihnachtliche
Hektik verbreitet bei Ungezählten Stress in seiner
bedrückenden negativen Variante und schafft körperlich-seelisches
Unbehagen. Dem gegenüber steht die Herausforderung,
den Erwartungen des sozialen Umfelds und damit an sich selbst
zu genügen. Häufig klafft zwischen Wunsch und
Wirklichkeit eine enorme Lücke, die in der Kapitulation
enden kann: Ich schaffe es nicht mehr. Das gilt insbesondere
für berufstätige Familienmütter, die versuchen,
das Fest so feierlich und perfekt zu organisieren, dass
alle Beteiligten glücklich von der Stillen Nacht singen,
sie selbst jedoch in eine beklemmende Stress-Situation geraten.
Traurige Einsamkeit, einschneidende finanzielle Probleme,
Hektik sowie körperlich-seelische Überlastung
fordern ihren Tribut. Das überreizte Nervensystem reagiert
vorwiegend in der lichtarmen Jahreszeit mit dem Gefühl
des Ausgebranntseins und mit Stimmungskrisen, die sich
durch Magen-
und Darmbeschwerden, Herz-Kreislauf-
und Schlafstörungen,
Kopfschmerzen
und Migräne Aufmerksamkeit verschaffen können.
Dies zeigt ganz deutlich, wie eng Körper und Seele
miteinander vernetzt sind.
Gravierende
Unterschiede und Folgen
Während beim Winterblues Gereiztheit und Traurigkeit
sowie körperliche Probleme zumeist im Frühling
wie fort geblasen sind und die gewohnte Lebensfreude wieder
einkehrt, hat die lang anhaltende und schwer wiegende Depression
ein anderes Gesicht. Diese ist von einem hohen Leidensdruck
und einer Sterberate durch Suizid gekennzeichnet. In der
Bundesrepublik nehmen sich pro Jahr rund 10.000 Menschen
das Leben (doppelt so viele Männer wie Frauen). Bei
Jugendlichen unter 20 Jahren stellt die Selbsttötung
die dritthäufigste Todesart dar. Laut Statistik sterben
in Deutschland pro Tag mehr als 30 Menschen durch Suizid
und meistens sind Depressionen die Ursache, dagegen 19 Personen
durch Verkehrunfälle. Suizidversuche, die auf das Zehn-
bis Fünfzehnfache geschätzt, aber aus Gründen
des Datenschutzes nicht mehr statistisch erfasst werden,
geben daher keine Auskunft über die tatsächlichen
seelischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen.
Behandlung
bei Winterblues
Dass viele Menschen versuchen, mit Medikamenten der
guten Laune auf die Sprünge zu helfen, zeigen Angaben
der Krankenkassen: Im Jahr 2007 stiegen die Verschreibungen
für Antidepressiva von Oktober bis März um 5%.
Wer sich über die Tragweite des Winterblues mit den
entsprechenden gesundheitlichen Einschränkungen Klarheit
verschaffen möchte, ist bei der Frauenärztin/dem
Frauenarzt gut aufgehoben. Statt Medikamenten gibt es genügend
Möglichkeiten belastenden Missstimmungen zu begegnen.
Wer mindestens zwei- bis dreimal in der Woche etwa 30-45
Minuten unter freiem Himmel Sport treibt oder sich nur beim
Spazierengehen bewegt, sorgt für einen ausgeglichenen
Hormonhaushalt. Jeder Anfang ist zwar schwer, aber bei entsprechender
Disziplin stellen sich Schlaf und Wohlgefühl wieder
ein und auch der morgendliche Blick auf die Waage hebt die
Stimmung. Wichtig ist, sich realistische Ziele zu setzen
und bei jedem Zweifel wegen der eigenen Belastbarkeit ärztlichen
Rat einzuholen. Ausdauersportarten wie Walking, zügiges
Spazierengehen, Radfahren und wo immer möglich Skilanglauf
sind bei jedem Wetter ein Gewinn, um die Ausschüttung
von Endorphinen anzuregen. Das Bewegungstraining kann auch
der Partnerschaft auf die Sprünge helfen, wenn es gemeinsam
geplant und durchgeführt wird. Gerade der Winterblues
hat oft negative Auswirkungen auf die Beziehung.
Wie
beeinflusst die Ernährung die Stimmung?
Obgleich Schokolade und Co exzellente Stimmungsaufheller
sind und insbesondere die bittere dunkle Variante mit bis
zu 80% Kakao und wenig Zucker auf Herz und Kreislauf eine
positive Wirkung ausübt, sollten zur Sättigung
Kohlenhydrate mit hoher Nährstoffdichte in Form von
Vollkornprodukten wie Brot, Müsli und Reis sowie Kartoffeln
und Nüsse bevorzugt werden. Empfehlenswert sind außerdem
Gemüse, Obst und Salat. Statt Kuchen, Torte, Eis und
Pralinen können Orangen, Clementinen, Birnen, Bananen
und Kiwi eine wohlschmeckende Alternative zu kalorienhaltigen
süßen Genüssen sein. Übrigens: Alkohol
in jeder Form ist als Stimmungsaufheller keine Lösung!
Im Gegenteil, er verstärkt nur das Leid.
Was
hilft außerdem?
Häufig können Phytopharmaka (z.B. Baldrian)
und/oder Homöopathika (z.B. Sepia) dazu beitragen,
wieder in die Balance zu kommen, wenn die Seele Trauer trägt.
Hilfreich ist, den Freundeskreis zu aktivieren, gemeinsam
zu kochen und zu backen und bei einem guten Essen über
drängende Probleme zu sprechen. Es tut gut, zu erkennen,
dass Hilfe angeboten und freudig angenommen werden kann,
wenn der eigene Stolz in den Hintergrund tritt.
Maria-E.
Lange-Ernst
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