Pollenallergie.
Ändert sich das Feindbild?
Erlenpollen
scheinen eine größere Bedeutung als Haselnußpollen als Auslöser
der bereits im Spätwinter zu beobachtenden Pollenallergien zu
haben. Viele Pollen
legen sogar Tausende von Kilometern zurück, bevor sie an den
empfindlichen Schleimhäuten der Atemwege andocken.
Von Jochen Kubitschek
Bisher galten die Pollen der Haselnusssträucher als die größte
Geißel jener Allergiker, die bereist in den letzten Wintertagen
überempfindlich auf Baumpollen reagieren. Ein durchschnittlicher
Haselnussbusch bringt es auf rund 600 Millionen Pollen, die ihrerseits
wiederum das Potential besitzen, um bei großen Teilen der deutschen
Bevölkerung eine Pollenallergie auszulösen.
„Bei Menschen mit einer entsprechenden Allergie reichen bereits
zehn Pollen pro Kubikmeter Luft aus, um eine allergische Reaktion
in Gang zu setzen“, betonte Professor Dr. Karl-Christian Bergmann
von der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische
Immunologie (DGAKI).
Die Pollenallergien haben für die Volksgesundheit eine große praktische
Bedeutung da sie erstens sehr häufig sind und zweitens oft nach
Jahren zu einem allergischen Asthma führen. Die Allergologen gehen
davon aus, daß zwischen 30 und 40% der Allergiker ein allergisches
Asthma entwickeln. Besonders gefährdet sind Menschen, die über
lange Zeit lediglich die Symptome der Allergie mit Medikamenten
wie Antihistaminika bekämpfen, ohne der Krankheit mit einer spezifischen
Immuntherapie ursächlich zu Leibe zu rücken. Die spezifische Immuntherapie
(SIT) wirkt bei rund 90% der Pollenallergiker. Hat sich nach Jahren
ein allergisches Asthma eingestellt, wird aus der eher als lästig
empfundenen Befindlichkeitsstörung eine lebensbedrohliche Krankheit.
Erlen blühen früher als die Haselnuß
In der letzten Zeit mehren sich Hinweise darauf, daß die Pollen
der Erle jene der Haselnuß auf der Hitliste der Allergieauslöser
überholen könnten. Dr. Uta Rabe , Vorstandsmitglied des Ärzteverbandes
Deutscher Allergologen, hat bereits im Vorjahr beobachtet, daß
die Erlenpollen in besonders großer Menge in der Luft anzutreffen
waren. Schon seit der zweiten Januarwoche konnten sie in der Luft
nachgewiesen werden.
„Erlen haben in diesem Jahr sogar schon vor der Haselnuß zu blühen
begonnen. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dessen Ursache wir
noch nicht kennen“, meint Allergologe Bergmann.
Durch diese zeitliche Verschiebung werden die Erlenpollen daher
zumindest aus zeitlicher Sicht zum primären Auslöser der im Frühjahr
zu beobachtenden allergischen Reaktionen. Nach wie vor werden
die meisten entsprechenden Allergien aber von Birkenpollen ausgelöst,
die pro Blütenstand bis zu 5 Millionen Pollen an die Umwelt abgeben.
Ende März/Anfang April werden diese winzig kleinen Pollen-Marschflugkörper
freigesetzt und finden mit Hilfe des Windes und der temperaturgesteuerten
Luftströmungen ihren Weg zu den empfindlichen Schleimhäuten des
Nasen-Rachenraums der Allergiker.
Pollen aus dem Ausland gefährden deutsche Nasenschleimhäute
Anläßlich des 7. Europäischen Pollensymposiums wiesen die Experten
darauf hin, daß die winzigen Baumpollen gewaltige Entfernungen
zurücklegen können. So ist es nicht ungewöhnlich, daß in Deutschland
Pollen identifiziert werden, die aus dem marokkanischen Atlas-Gebirge
stammen. Und schwedische Allergiker verdanken ihre brennenden
Augen und laufenden Nasen ab und an Pollen, die aus Ungarn, Polen
oder Tschechien stammen.
Doch Allergologe Bergmann sieht aus ärztlicher Sicht keinen Grund
vor den Pollen zu kapitulieren indem man lediglich die lästigen
Symptome mit Medikamenten unterdrückt: “Die spezifische Immuntherapie
ist bisher die einzige Behandlung mit der wir Allergien heilen
und den Etagenwechsel vom Heuschnupfen zum Asthma verhindern können.“
Bisher scheuten viele Allergiker aber vor der kausal wirkenden
Therapie zurück, da die Allergene unter die Haut gespritzt werden
mußten. Doch nun setzt sich neben dieser konventionellen Therapieform
auch die sog. „sublinguale spezifische Immuntherapie“ (SLIT) durch,
bei der die Allergene unter die Zunge geträufelt werden. Diese
„entschärfte“ Behandlung der Allergie eignet sich naturgemäß besonders
gut für Kinder, die im Regelfall mehr unter den Allergiespritzen
leiden als unter der Allergie selbst.
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