Chlamydieninfektionen
– Sex-Risiko mit Spätfolgen
Die Zahl der
sexuell übertragbaren Infektionen hat nach statistischen
Erhebungen in den vergangenen zehn Jahren stetig zugenommen.
Die höchsten Zuwachsraten weisen Chlamydieninfektionen auf
und immer mehr Jugendliche sind betroffen. Jede zehnte Siebzehnjährige
hierzulande ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft
für Prävention mit Chlamydien infiziert ohne die geringste
Ahnung davon zu haben, dass sich daraus ein folgenschweres
gesundheitliches Risiko wie Sterilität entwickeln kann.
Übrigens: Insgesamt sind in Deutschland 1,1 Millionen Menschen
von Chlamydieninfektionen betroffen.
Was
sind Chlamydien?
Die Übeltäter sind winzige Bakterien, sprich mikrometerkleine
Lebewesen, die der Gruppe Chlamydia trachomatis zugeordnet
werden. Diese Gruppe verursacht die meisten Geschlechtskrankheiten
mit weitem Abstand vor Tripper, Syphilis oder Aids. Vor
allem unter sexuell aktiven Jugendlichen, die frühzeitig
mit den Kontakten beginnen und öfter den Partner wechseln,
breiten sich die hoch ansteckenden Chlamydien beängstigend
aus. Chlamydia trachomatis ist ein typischer Schleimhautparasit,
der ausschließlich Menschen infiziert. In dem feuchtwarmen
Milieu der Vagina fühlt er sich wohl und kann sich rasant
vermehren. Wichtig ist: Eine Chlamydieninfektion kann man
sich nicht auf der Toilette holen, wie oft angenommen wird!
Sie wird nur durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen.
Ein weiteres Missverständnis beschreibt Dr. Gisela Gille.
Die engagierte Ärztin aus Lüneburg erklärt 14-17jährigen
in den Schulen, dass Liebe einschneidende Nebenwirkungen
haben kann. Sie sagt: „Aids kennen sie alle, Tripper können
sie buchstabieren, aber bei Chlamydien denken sie eher an
eine seltene Zimmerpflanze.“
Eine Interventionsstudie der Charité in Berlin zeigte, dass
über 80% der Schülerinnen noch nie etwas von Chlamydien
gehört hatte.
Aufklärung
und Prävention
Ein Chlamydientest an 265 Berliner Schülerinnen
erschreckte sogar die Mediziner: Bei 10% der 17jährigen
Mädchen wurde Chlamydien festgestellt und bei den unter
15jährigen stieß man bei 4% auf die Keime. Hätten sie bei
jedem Geschlechtsverkehr ein Kondom benutzt, bliebe ihnen
ein 20-25-prozentiges Risiko erspart, später auf natürlichem
Wege keine Kinder bekommen zu können. Die Faustregel lautet:
Wird die Infektion frühzeitig erkannt und entsprechend behandelt,
sind Spätfolgen vermeidbar. Doch das Tückische an den Chlamydien
ist: 80% aller infizierten Mädchen und Frauen spüren nach
Angaben der International Union Sexually against Transmitted
Infections (IUSTI) keine Beeinträchtigungen ihres Befindens.
Deshalb kommen sie auch gar nicht auf den Gedanken, ihren
Frauenarzt aufzusuchen und so bleiben die Infektionen unerkannt.
Ein Großteil der im Genitaltrakt angesiedelten Keime ruft
keine Immunreaktionen hervor. Bisher fehlt es dafür an einer
stichhaltigen Erklärung.
Leichtfertigkeit, Unkenntnis und wechselnde Partner führen
dazu, dass in Deutschland jährlich mit 300.000 neuen Chlamydieninfektionen
gerechnet werden muss. Den Jugendlichen sei ans Herz gelegt,
Kondome zu benutzen; und das nicht nur wegen Aids, sondern
auch um die Fruchtbarkeit der Mädchen zu schützen. Kondome
bieten den einfachsten und sichersten Schutz vor Sexualkrankheiten.
Bei der Benutzung von Kondomen ist zu beachten:
- Man schaue immer auf das Haltbarkeitsdatum; am besten
man besorgt sich Kondome in der Apotheke.
- Die Verpackung muss unbeschädigt sein und darf unter
Druck keine Luft verlieren.
- Das Gummi sollte niemals hart und brüchig sein.
- Naturdarmkondome bieten keinen ausreichenden Schutz.
Wie
sehen akute Beschwerden aus?
Gelegentlich wird erschwertes Wasserlassen verspürt
und meistens als Unpässlichkeit gewertet. Diese kann sich
zu einer Harnröhrenentzündung entwickeln, die sich durch
gelblich-grünen Ausfluss äußert. Auch unbestimmte Bauchschmerzen
sind ein Symptom. Nach einiger Zeit steigen die Keime von
der Harnröhre und dem Gebärmutterhals auf und führen zu
Entzündungen der Gebärmutterschleimhaut. Im weiteren Verlauf
können die Eileiter verkleben und vernarben und sich letztendlich
vollkommen verschließen, sodass befruchtete Eizellen nicht
mehr zur Gebärmutter gelangen können.
Chlamydieninfektionen gelten deshalb als hauptsächliche
Ursache für die weibliche Unfruchtbarkeit. In Deutschland
sind mindestens 100.000 Frauen betroffen. Durch die Infektionen
besteht das Risiko für Eileiterschwangerschaften und Frühgeburten
und außerdem steigert eine Infektion mit Chlamydien die
Wahrscheinlichkeit, bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr
HIV-positiv zu werden.
Wie
sieht die Behandlung aus?
Auch ohne Beschwerden – eventuell nach ungeschütztem
Geschlechtsverkehr – sollte eine Infektion erkannt und behandelt
werden. In einem frühen Stadium lassen sich die Keime durch
einen einfachen Abstrich aus der Vagina erkennen und mit
einer circa 14-tägigen Gabe von Antibiotika in den meisten
Fällen folgenlos ausheilen. Im Gespräch mit dem Frauenarzt/Frauenärztin
sollte diese Früherkennungsmaßnahme auf den Sexpartner ausgedehnt
werden, um den Keimen möglichst alle Wege zu verbauen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Krankenkassen
haben sich auf die Finanzierung des Screenings für junge
Frauen geeinigt. Demnach können Mädchen und Frauen bis 25
Jahre ab sofort den jährlichen Test auf Chlamydien zu Lasten
der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch nehmen.
Die Honorierung der Beratungsleistung verweigern die Kassen
jedoch. Bis Ende 2007 konnten sich nur schwangere Frauen
im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge auf Kosten der Kassen
untersuchen lassen, um vorsorglich Schäden für das Neugeborene
zu verhindern. Das Screening für beschwerdefreie Mädchen
und Frauen bis 25 wurde zu Beginn dieses Jahres in den GKV-Leistungskatalog
aufgenommen.
Die Ärztinnen
und Ärzte des Berufsverbandes der Frauenärzte begrüßen das
Einschwenken auf ihre jahrelange Forderung nach Einführung
eines Screenings auf Chlamydien. Die Verweigerung der Honorierung
einer ärztlichen Leistung ist jedoch inakzeptabel.
Maria-E. Lange-Ernst
|